Königsteiner Forum

Die genetische Geschichte der Europäer: Migration und Anpassung in der Vorgeschichte - Nachholtermin

17. November / 20 Uhr / Professor Dr. Johannes Krause, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig.

Prof. Johannes Krause: Promotion 2008 im Fach Genetik, Uni Leipzig. Anschließend arbeitete er am MPI für evolutionäre Anthropologie, Leipzig. Danach Professur für Archäo- und Paläogenetik, Uni Tübingen, Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie. Im Mittelpunkt seiner Forschung steht die Analyse von alter bis sehr alter DNA mit Hilfe der DNA-Sequenzierung. Zu seinen Forschungsgebieten zählen neben anderem Krankheitserreger aus historischen Epidemien sowie die menschliche Evolution. Er wirkte an der Entschlüsselung des Erbguts des Neandertalers mit, wobei ihm der Nachweis gelang, dass Neandertaler und der moderne Mensch dasselbe Sprachgen (FOXP2) teilen. 2010 gelang ihm erstmalig der Nachweis einer neuen Menschenform, dem Denisova-Menschen, anhand von genetischen Daten aus einem sibirischen Fossil. In seiner Arbeit zur Evolution historischer Infektionskrankheiten konnte er nachweisen, dass die meisten heutigen Pest-Erreger auf den mittelalterlichen Schwarzen Tod zurückzuführen sind. Ab Juni 2014 war Prof. Krause Direktor am MPI für Menschheitsgeschichte in Jena, Juni 2020 wechselte er ans MPI für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Die genetische Geschichte der Europäer: Migration und Anpassung in der Vorgeschichte

Alte DNA kann prähistorische Ereignisse aufdecken, die allein durch die Untersuchung archäologischer Funde und moderner genetischer Variationen nur schwer erkennbar sind. In den letzten fünfzehn Jahren hat das neu entstehende Forschungsfeld der Archäogenetik mehr als 15.000 alte menschliche Genome analysiert, die die letzten 45.000 Jahreder west-eurasischen Vorgeschichte abdecken. Dabei wurden Dutzende großräumiger Migrationsereignisse identifiziert, die die genetische Struktur Europas geprägt haben.

Der Vortrag behandelt zunächst die ersten, erfolglosen Versuche moderner Menschen, Europa während des Eiszeit zu besiedeln, nachdem sie Afrika vor etwa 50.000 Jahren verlassen und sich auf ihrem Weg mit Neandertalern vermischt hatten. Anschließend werden zwei bedeutende genetische Umbruchphasen am Beginn und am Ende der Jungsteinzeit vorgestellt, die das genetische Bild Europas tiefgreifend veränderten.

Die erste dieser Veränderungen erfolgte durch die frühen Bauern, die sich vor rund 8.000 Jahren aus Anatolien nach Europa ausbreiteten und Ackerbau und Viehzucht einführten. Nach ihrer Ankunft vermischten sich diese frühen Bauern im Verlauf der nächsten 3.000 Jahre genetisch mit den einheimischen europäischen Jäger- und Sammlergruppen.

Am Ende der Jungsteinzeit, vor etwa 5.000 Jahren, findet sich dann der erste genetische Nachweis einer weiteren großen Migration von Bevölkerungsgruppen aus der pontisch-kaspischen Steppe nördlich des Schwarzen Meeres in das europäische Kernland. Diese Neuankömmlinge waren Hirtenvölker, betrieben Weidewirtschaft und waren hoch mobil. Neben der Einführung neuer kultureller Praktiken könnten sie auch für die Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen verantwortlich gewesen sein.

Abschließend wird auf den Zusammenbruch des Römischen Reiches eingegangen, der eine Reihe großräumiger Völkerwanderungen auslöste, die die genetische Struktur Europas bis heute mitprägten.

Insgesamt zeigt sich, dass alle modernen europäischen Populationen genetische Mischungen verschiedener Bevölkerungsgruppen darstellen, die in den letzten Jahrtausenden nach Europa einwanderten. Die Ergebnisse machen deutlich, dass großräumige Mobilität in der Menschheitsgeschichte die Regel und nicht die Ausnahme war.


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